AMG-Räder der 90er am Mercedes W124 – Machbarkeit und Auswirkungen
1. Technische Machbarkeit (Freigängigkeit, Fahrwerk & Bremsen)
Im Fokus stehen hier AMG-Felgen aus den 90er Jahren, die ab Werk nicht für den W124 vorgesehen waren. Konkret geht es um 17‑Zoll‑Räder vom Typ W202/W208 (C‑Klasse/CLK) sowie 18‑Zoll‑Räder vom Typ W210/R129 (E‑Klasse „Kolben“ und SL). Beispiele sind etwa die 18‑Zoll‑AMG‑Monoblock II Felgen mit den Teilenummern
HWA 210 401 01 02 / HWA 129 401 01 02 (8J × 18 ET31) für vorne und HWA 210 401 02 02 (9J × 18 ET35) für hinten[1].
Technisch sind Lochkreis (5×112 mm), Nabenbohrung (66,6 mm) und Mittenzentrierung bei Mercedes in dieser Baureihe einheitlich – somit ist eine Montage grundsätzlich möglich. Entscheidend ist jedoch die Freigängigkeit im Radhaus. So werden am W124 häufig Reifen in den Größen
225/40 R18 vorne und 255/35 R18 hinten verwendet[2]. Dadurch bleibt der Gesamtdurchmesser (ca. 635–637 mm, nahe dem Serienwert von ~630 mm) weitgehend erhalten. Wichtig ist, dass bei vollem Lenkeinschlag weder Reifen noch Felgen an Fahrwerkskomponenten oder den Kotflügeln schleifen.
Erfahrungsgemäß berichtet ein W124-Fahrer, dass 8×18 ET31 mit 225er Reifen „ohne Probleme“ passen – wobei hier oft auch Karosserie-Anpassungen (siehe Abschnitt 4) notwendig werden[1].
Auch im Bereich der Bremsen gibt es keine grundsätzlichen Schwierigkeiten: Die AMG-Felgen wurden für Fahrzeuge mit groß dimensionierten Bremssystemen (bis ca. 334 mm Scheibendurchmesser) entwickelt – sodass selbst nachgerüstete 500E-Bremsanlagen problemlos unter 17‑Zoll‑Felgen passen[1].
2. Unterschiede der W124-Modelle (500E/E500 vs. E420, E320, 300E, 300E‑24)
Die Baureihe W124 umfasst verschiedene Varianten, die sich in Karosserie und Fahrwerk leicht unterscheiden. Besonders der 500E/E500 (1991–95, mit Porsche-Beteiligung) fällt durch ab Werk verbreiterte Kotflügel und eine ca. 40 mm breitere Spur pro Seite auf – so wirkt ein Rad, das an einem normalen 300E bündig am Radlauf sitzt, beim 500E tiefer, da die Kotflügel weiter nach außen reichen[3].
Modelle wie 400E/E420, 300E‑24 (E320‑24V) sowie die übrigen Sechszylinder/Vierzylinder besitzen hingegen die serienmäßigen, schmaleren Kotflügel. Daraus ergeben sich bei der Montage größerer AMG‑Felgen zusätzliche Herausforderungen – etwa im Hinblick auf die Freigängigkeit, die teilweise durch nachträgliche Bearbeitung der Kotflügel (siehe Abschnitt 4) gelöst werden muss.
Auch Coupé und Cabriolet weisen vergleichbar enge Radkästen auf. Ein 320CE‑Cabrio-Fahrer berichtete, dass 17‑Zoll‑AMG‑Styling II Felgen (z. B. 7,5×17 ET35) mit 235er Reifen problemlos eingetragen werden konnten[4].
Zusätzlich gab es ab Werk das Sportline‑Paket, bei dem bereits leichtere Kotflügelanpassungen vorgenommen wurden – was den Einbau breiterer Felgen erleichtert[5].
3. TÜV und Eintragung (Gutachten, Vorschriften in Deutschland)
Für nicht serienmäßige Rad‑/Reifenkombinationen am W124 ist in Deutschland eine Einzelabnahme (TÜV/DEKRA) nach §21 StVZO erforderlich. Zwar existieren für originale Mercedes/AMG‑Felgen häufig Teilegutachten oder ABE-Dokumente, diese beziehen sich jedoch meist auf die Fahrzeuge, für die sie ursprünglich vorgesehen waren (z. B. W210, R129). So muss für den W124 häufig ein Einzelgutachten erstellt werden[6].
Zur Vorbereitung empfiehlt es sich, das entsprechende R129‑ oder W210‑Gutachten sowie ggf. ein Vergleichsgutachten eines bereits umgerüsteten W124 mitzuführen. Ein Reifen‑Freigabeschreiben des Herstellers, das bestätigt, dass die gewünschte Reifengröße auf der betreffenden Felge zulässig ist, erleichtert die Eintragung zusätzlich[7].
Auch wenn manche Prüfer in alten Bundesländern (TÜV) restriktiver agieren als in neuen (DEKRA), bestätigen zahlreiche Erfahrungsberichte, dass bei sorgfältiger Vorbereitung die Eintragung problemlos gelingt[8].
4. Kotflügelanpassungen: Verbreiterung vs. Bördeln
Um die größeren Felgen und Reifen im engen Radhaus des W124 unterzubringen, gibt es verschiedene Ansätze:
- Bördeln: Hierbei wird der scharf abstehende Innenfalz am Radlauf (typischerweise um ~90°) umgelegt, um einige Millimeter zusätzlichen Freiraum zu gewinnen. Diese Methode bewahrt weitgehend die originale Optik, birgt jedoch das Risiko von Lackrissen – weshalb eine fachgerechte Nachbehandlung (Reinigung, Trocknung, Versiegelung) unerlässlich ist[10].
- „Ziehen“ der Kotflügel: Durch plastisches Verbreitern der Kotflügel wird mehr Platz geschaffen, allerdings geht dies oft mit einer sichtbaren Veränderung der Original-Linienführung einher.
- Austausch gegen breitere Kotflügel: Originalteile (z. B. vom 500E) können an der Vorderachse für einen authentischen Look sorgen – sind jedoch kostenintensiver.
Als Alternative gibt es zudem den Einsatz eines „Ausstellsatzes“ – Distanzstücke oder leicht veränderte Innenradläufe, die den Kotflügel minimal nach außen setzen, sodass ein Schleifen vermieden werden kann. Generell wird in der Praxis sauberes Bördeln als die gängigste und am besten getestete Lösung angesehen[11].
5. Fahrwerksoptionen (Tieferlegung und Auswirkungen)
Das Fahrwerkssetup beeinflusst sowohl die Optik als auch das Fahrverhalten maßgeblich. So bietet das serienmäßige Fahrwerk zwar hohen Komfort, jedoch oft zu viel Federweg, was bei größeren Rädern zu Schleifen führen kann.
Beliebt sind Nachrüst‑Federnsätze, wie beispielsweise H&R (ca. 35 mm Tieferlegung) oder Eibach (ca. 30–40 mm), häufig in Kombination mit strafferen Stoßdämpfern (z. B. Bilstein B8 oder Koni). Ein Erfahrungsbericht beschreibt, dass eine 35‑mm‑Tieferlegung den W124 spürbar sportlicher macht – ohne den Komfort völlig einzubüßen[12].
Zu beachten ist, dass zu extreme Tieferlegungen (über 50 mm) zu Problemen wie vermindertem Federweg, Schleifen an Kotflügeln oder erhöhter Reifenabnutzung führen können. Eine regelmäßige Achsvermessung nach Fahrwerksänderungen ist daher unbedingt erforderlich.
6. Erfahrungsberichte und Meinungen aus der Praxis
Zahlreiche W124-Enthusiasten haben unterschiedliche Rad‑/Reifenkombinationen erprobt. So wird berichtet:
- 17‑Zoll‑AMG‑Felgen (Styling II, ET35): Diese Felgen, häufig übernommen von neueren Modellen (W202/W210), passen laut Erfahrungsberichten – etwa mit 235/45 R17 – einwandfrei, wobei manche Nutzer sogar auf die serienmäßige Bereifung (225/45 R17) zurückgreifen, um ausreichend Freiraum zu haben[4].
- 18‑Zoll‑AMG‑Felgen (8J & 9J, ET31/35): Hier ist in der Regel ein fachgerechtes Bördeln der Kotflügel erforderlich. So berichten einige, dass die Kombination aus 225/40 R18 vorne und 255/35 R18 hinten nach Anpassung einwandfrei funktioniert[2].
- TÜV und Eintragung: Mit entsprechender Dokumentation (Gutachten, Reifenfreigabe, Vergleichsdokumentation) gelingt die Eintragung häufig problemlos – auch wenn kleinere Nacharbeiten (z. B. zusätzliche Kotflügelanpassungen) manchmal erforderlich sind[6][7].
- Fahrverhalten: Breitere Felgen und niederquerschnittige Reifen führen zu einer direkteren Lenkung und verbessertem Grip in Kurven, können jedoch auf schlechten Straßen zu einem härteren Fahrgefühl führen.
- Probleme & Lösungen: Kleinere Herausforderungen, wie das korrekte Wuchten der Felgen oder die Wahl der passenden Radbolzen, sind bekannt – hier hilft die Community vielfach mit bewährten Lösungen weiter[8].
7. Abwägung: Sinn und Unsinn – Beeinflussung des Charakters, Fahrverhalten und Alltagstauglichkeit
Abschließend stellen sich folgende Überlegungen:
Pro (Sinnvoll)
- Optische Aufwertung: Moderne 90er‑Jahre‑AMG‑Felgen verleihen dem W124 einen sportlicheren, exklusiveren Look – fast so, als hätte es ab Werk einen AMG‑Sonderlook gegeben.
- Verbessertes Fahrverhalten: Breitere Reifen und größere Felgen sorgen für mehr Grip, eine direktere Lenkung und somit ein sportlicheres Handling.
- Tradition & Exklusivität: Da auch ab Werk AMG‑Zubehöroptionen existierten, bewegt man sich mit solchen Umbauten in einem authentischen Rahmen.
- Technische Machbarkeit: Mit sorgfältiger Planung, moderater Tieferlegung und fachgerechten Karosserieanpassungen (z. B. Bördeln) ist der Umbau technisch und rechtlich sicher realisierbar.
Contra (Unsinn)
- Verlust an Komfort: Größere Felgen mit Niederquerschnittreifen können den ursprünglich komfortablen Charakter des W124 beeinträchtigen.
- Aufwand und Kosten: Neben den Felgen- und Reifenpreisen kommen Kosten für Karosseriearbeiten, Fahrwerksanpassungen und TÜV-Prüfungen hinzu.
- Wert des Originals: Insbesondere bei seltenen Modellen wie dem 500E/E500 kann ein Umbau als Verfremdung des Originalzustands wahrgenommen werden.
- Alltagsnutzbarkeit: Zu extreme Umbauten (z. B. ultrabreite Räder, zu starke Tieferlegungen) können den Wagen im Alltag unpraktisch machen.
Empfehlung: Für einen alltagstauglichen Umbau bieten sich meist 17‑Zoll‑AMG‑Felgen an – so erhält man einen sportlichen Look und verbesserte Fahrdynamik, ohne den Komfort zu stark einzubüßen. Wer sich für 18‑Zöller entscheidet, sollte zusätzlich in fachgerechte Kotflügelanpassungen und ggf. ein abgestimmtes Fahrwerk investieren.
Fazit: Die Montage nicht serienmäßiger Rad-/Reifenkombinationen am Mercedes W124 – speziell mit 90er‑Jahre‑AMG‑Felgen in 17 oder 18 Zoll – ist technisch machbar und vielfach erprobt. Entscheidend sind eine sorgfältige Planung, die richtigen Reifenformate, leichte Karosserieanpassungen und eine TÜV‑Einzelabnahme. So kann ein dezent tiefergelegter W124 entstehen, der sportlich wirkt und dennoch alltagstauglich bleibt.
Fußnoten
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[1] AMG Monoblock II – MBClub UK
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[2] Einzelabnahme AMG 18″ – W124-Board.de
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[3] Allgemeine Frage zum W124 – Autoextrem.de
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[4] AMG Styling II in 17 Zoll – W124-Board.de
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[5] 17/18 Zoll ohne Bördeln – W124-Board.de
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[6] 18 Zoll AMG Styling 2 Gutachten – w124-freunde.com
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[7] Reifenfreigabe & Abrollumfang – W124-Board.de
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[8] Erfahrungen mit 18 Zoll am W124 – Mercedes-Forum.com
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[10] Tieferlegung ohne Bördeln – w124-freunde.com
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[11] Radläufe richtig versiegeln – W124-Coupe.de
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[12] Welches Fahrwerk habt ihr verbaut? – w124-freunde.com
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[13] Schleifen im Radkasten vorne bei 225/45 R17 – w124-freunde.com
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[14] Zweiter Beitrag zu Schleifen im Radkasten – w124-freunde.com
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[15] AMG Styling II in 17 Zoll – W124-Board.de
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[18] Original Mercedes AMG 190 E/W201, W202 Styling 2 Felgen – Felgen Brillant
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